Das deutsche Strafrecht hat bei seinen Geldstrafen ein ziemlich geniales und sehr gerechtes System –– "jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Möglichkeiten".
Geldstrafen werden in T a g e s s ä t z e n verhängt (Paragraph 40 Strafhesetzbuch=StGB). Das System ist dabei folgendes: je schwergewichtiger die Tat beziehungsweise je weniger "mildernde Umschläge"(Jürgen von Manger) Man dem Beschuldigten verordnen beziehungsweise zugute halten kann, desto größer ist die Anzahl der Tagessätze. Sie kann variieren von 5 bis deren 360.Wenn man also wissen will, wie schlimm das Delikt war, ist nur die Anzahl der verhängten Tagessätze von Interesse.
Wie h o c h ein Tagessatz ist, hängt vom Einkommen des Beschuldigten ab. Dabei ist ein Tagessatz das, was der zu verurteilende an einem Tag verdient . Je nach Einkommen beträgt die Tagessatzhöhe-legt das Gesetz so fest, Paragraph 40 Abs. 2-zwischen 2 und 30 ooo Euro.
Damit kann das Gericht ziemlich punktgenau auf die Einkommens-und Vermögenssituation des Beschuldigten reagieren.
Die üblichen Zeitungsmeldungen, nach denen jemand "zu einer Geldstrafe von 400.000 €" verurteilt worden sei, sind daher reichlich sinnlos, weil sie die entscheidende Aussage verbergen : nach dem Gesagten kann es siclh nämlich entweder um ein völliges Pippidelikt eines sehr Reichen (13,3 Tagessätze zu 30.000 €) o d e r um eine sehr gewaltige (360 Tagessätze) Strafe eines Kandidaten/ einer Kandidatin des schon reichlich gehobenen Managements (33.333 € im Monat, gibt Tagessatz 1 111 €) handeln.
Dem Tagessatz korrespondiert ein weiteres Schmankerl: wenn die Geldstrafe,wie das Gesetz so schön sagt, "uneinbringlich" (43 StGB) ist, wandert der betreffende für jeden Tagessatz, den er nicht zahlt, einen Tag ins Gefängnis .
Nennt sich dann " Ersatzfreiheitsstrafe".
Wegen der beschriebenen Staffelung erhält also ein Hartz IV Empfänger für eine Tat mittlerer Schwere 60 Tagessätze zu je 15 €, wohingegen der beschriebene Siemens-Mittel-Managementller/-*In mit 60 × 1 111 Euro bluten muss.
Problem ist allerdings (um das sich die Gerichte illegal herum schummeln): woher soll das Gericht wissen, wie viel der Angeklagte verdient?
Wenn anständig ermittelt würde, könnte es das Gericht bereits mit den zu ihm übersandten Akten wissen. Das Ermittlungsverfahren wird nach einer Verwaltungsvorschrift durchgeführt, die " Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBv)" heisst. Sie sind im bei allen mit Jura befassten Stellen standardmäßig vorhanden Kommentar zur Strafprozessordnung abgedruckt .
In den RiStBv heisst es lapidar und irgendeiner Interpretatoon nicht zugänglich unter
Nr. 14 (Abs. S. 1): "Die Einkommens-und Vermögensverhältnisse sind aufzukläten."
Dies wird jedoch offenbar nie gemacht. Ich war 20 Jahre als Rechtsanwalt und etwa vier Jahre als Gerichtsberichterstatter unterwegs und habe in dieser Zeit nie eine Akte gesehen oder zitiert bekommen, in der diese wichtige Erkenntnis enthalten gewesen wäre .
Die Gerichte brauchen diese Erkenntnis aber zur Strafzumessung (wie oben beschrieben). Um nun doch zu der gewünschten Erkenntnis zu gelangen, bedienen Sie sich eines illegalen Tricks, der weitestgehend üblich ist: wenn die Verhandlung so langsam dem Ende zugeht und alle endlich in die Mittagspause wollen und gesagt haben, wonach ihnen so war ,fragen die Gerichte den Angeklagten noch "was verdienen' S denn im Schnitt so?" Und der arme, vor dem Urteil zitternde Angeklagte tappt in diese Falle und gibt bereitwillig sein Einkommen preis. Er erinnert sich nämlich nicht mehr daran ,dass ihm am Anfang mal eine Belehrung erteilt worden ist, in der es hieß, er brauche zur Sache nichts auszusagen. Eine Aussage p f l i c h t besteht aber nur zu den Tatsachen, die der Identifizierung des Angeklagten dienen (Name, Vorname, Wohnort, Adresse, Alter).
Eine darüber hinaus reichende Vernehmung ist "Vernehmung zur Sache" (Kleinknecht/ Meyer- Gossner, Strafprozessordnung, Beck-Verlag, 45. AuflageRandnummer 12 uu Par. 243 StPO), zu der der Angeklagte bekanntlich schweigen kann.
Letztlich können merkwürdigerweise sowohl aufgeklärte als auch nicht aufgeklärte Vermögensverhältnisse durch aus mal zu skurrilen Folgerungen führen: Ein Mandant von mir hatte mal einen Bußgeldbescheid von der Verwaltung über etwa 900 € erhalten und wollte den ein bisschen runterhandeln. Seine LKW-Fahrer (die die ihm gehörende Deponie beschickten) hatten wieder mal neben dem Laub auch allerhand Stoffe abgeladen, die auf einer Deponie nichts zu suchen hatten. Dies war wohl insgesamt eher Programm als Ausrutscher. Der Mandant war ein sehr väterlich - freundlichet älterer Herr, von dem man jederzeit einen schlechten Gebrauchtwagen gekauft hätte, nebenbei hatte er es faustdick hinter den Ohren. Als das Gericht ihn fragte, wie seine wirtschaftlichen Verhältnisse seien, sagte eher mit freundlichem Kopfnicken "naja...-geordnet, geordnet ". Das Gericht hatte wohl offensichtlich zu näherer Aufklärung keine Lust, klärte weder den Sachverhalt noch seine wirtschaftlichen Verhältnisse auf und setzte die Buße wunschgemäß ein bisschen herunter und der alte Herr war's zufrieden.
Danach sprachen wir noch ein paar freundliche Worte (ist wirklich sehr nett gewesen), er setzte sich in sein Auto und fuhr wieder heim. Der Pkw war eine Mercedes S-Klasse (W220). Neben dem Betreiben der Deponie besaß der Herr noch gewaltige Anteile an einer Gießerei sowie ein Hotel in einem Ostblockland, in dem deutsche Rentner von der Sozialversicherung zu deutschen Sätzen Kuren bezahlt bekommen und die dort von nettem Personal betreut wurden, das Gehälter auf Ostblockniveau erhielt.
Allein diese nette Einkommensquelle-so hatte er mir mal erzählt-mache ihn monatlich um ungefähr 100.000 € reicher.
Das Gegenstück war der gute frühere Chef von Brose, Herr Stoschek. Er hatte-was nicht zulässig war-auf die Front -und/oder Heckpartie seines Porsche ein Klebe-Kennzeichen gemacht, mit dem er nach eigenen Angaben im Prozess bisher seit etwa sechs Jahren unbehelligt in Coburg und Umgebung herum gefahren war.
Der Strafbefehl, den er erhalten hatte, hatte eigentlich nur lumpige 55 Tagessätze enthalten, was ja nicht allzu viel ist (erst jenseits von 90 Tagessätzen werden Strafen ins Zentralregister eingetragen).
Nur ergaben die halt angesichts des vermuteten Einkommens diese 55 Tagessätze zu 30.000 €, mithin insgesamt 1,625 Millionen €...(55 mal 30 000).
Und das brachte nun Herrn Stoschek als verdienten Bürger Coburgs ziemlich auf die Palme und er vermutete, die Staatsanwaltschaft wolle an ihm ein Exempel statuieren und so weiter.. Hier hätte ich als Freund höchster Einkommensteuersätze und Kommunist im Westentaschen-Format nun doch auch gedacht, dass das für das Delikt ein bisschen viel ist. Man hat sich dann auf eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung von 150.000 € geeinigt.
Natürlich konnte es sich Herr Stoschek nicht versagen, Ausführungen dahin zu machen, das normale Kennzeichen hätte bei hohen Geschwindigkeiten zu sehr geflattert und vermutlich auch die Kühlung beeinträchtigt… - Herr Stoschek...man kann auch unter 240 km/h fahren...-da schweigen wir mal lieber zu...
Also, Journalisten, macht einfach Euere Arbeit anständig: jeder kann inzwischen Gesetze online aufrufen und das wenige, was er für seine Arbeit braucht, anständig recherchieren. Im Gegensatz zu vielen anderen Fällen (wo Menschen meinen, sie seien durch Google zum besseren Juristen als ihr langgedienter Rechtsanwalt geworden), kann man das hier auch ohne systematische Ausbildung einfach mal schnell nachschauen.
WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT
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Donnerstag, 6. April 2017
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2 Kommentare:
Spielst du auf einen konkreten, aktuellen Fall an, in dem die Medien das Recherchieren versäumt haben?
VG Peter
Nein- hatte mit nichts sonstigem zu tun-nur aölgemeine Volksbildung...
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