"Polizisten als
Straftäter" - dieses Thema wird bisher behandelt, als sei es ein
Widerspruch in sich. Die Staatsmacht ist an Recht und Gesetz gebunden. Gesetze
gelten für Staatsbedienstete unmittelbar, das sagt schon das Grundgesetz
(Art.20 Abs.3 GG). Das Maximum an "Strafbarkeit", über das man
regelmäßig über Polizeibeamte vor Gericht in Zeitungen lesen kann, lautet
"Das Verfahren gegen die Beamten wurde eingestellt".
Richter machen es sich da
regelmäßig einfach: "Welches Interesse sollte ein Beamter daran haben,
jemanden zu unrecht zu belasten?" , also: zu lügen? - heisst ihre übliche
Frage. Für die meisten Richter gibt es eine klare Antwort: keins. Also
wird der durch eine polizeiliche Aussage Belastete verurteilt.,
Dabei ist das Interesse des
Beamten völlig offensichtlich: neben dem am Selbstbild als aufrechter
Staatsdiener ist es sogar gesetzlich fixiert: nur gegen eine rechtsWIDRIGE
Diensthandlung darf sich der Bürger wehren ( § 113 Absatz 3
Strafgesetzbuch).Die Beamten haben also allen Grund, ihren Einsatz durch eine
Brille zu sehen, die nur RECHTMÄSSIGKEIT erkennen läßt.
Die notorische
Unangreifbarkeit von Polizeibeamten scheint inzwischen etwas ins Wanken zu
geraten.Begonnen hat es mit der Polizeiinspektion in Rosenheim, deren
Mitglieder sich den Ruf als Prügeltruppe erworben haben. Das Verfahren gegen
eine Familie, die des "Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte"
angeklagt war läuft noch. Die Vertretung von Staatsanwaltschaft und Polizei
versuchte, die Familienmitglieder als Psychopathen hinzustellen und suchte aus
der Vergangenheit einzelner Familienmitglieder akribisch nach Gründen für ein
dauerhaftes Problem mit der Staatsmacht. Ein bisschen Pech hat die
Anklagbehörde,weil das männliche Familienoberhaupt Polizeibeamter ausser Dienst
ist und daher halbwegs gut wußte, wovon er spricht.
In Bayern brachte der Fall
einer Dometscherin Einschlägiges. Auch hier dasselbe Schema. Anzeige gegen
Beamte, weil sie der Dolmetscherin zahlreiche Verletzungen zugefügt haben
sollen. Verfahren gegen die Beamten wegen Korperverletzung wird eingestellt,
die Dolmetscherin hat die Anklage wegen Widerstands am Hals.
Der Hergang: bei einer
Strafanzeige dreier Rumänen half ihnen die Dolmetscherin, die Anzeige zu
erstatten. Im Lauf der Übersetzungen kam die Polizei auf die Idee, die
Dolmetscherin behalte etwas für sich und wisse mehr (SZ Nr.24/2012, S. 45). In
den darauffolgenden Minuten erlitt die Frau einige merkwürdige Verletzungen:
drei Einblutungen am Kopf sowie Hämatome und Schürfwunden. Die Beamten
wussten zu berichten, die Frau habe sich hysterisch aufgeführt und sei dann in
ihrer Aufgebrachtheit an eine Tür gerannt (offenbar gleich mehrfach) - daher
dann die Verletzungen.
"Die Vorsitzende Richterin
wundert´s, dass sich jemand so verhalten sollte"
schreibt die SZ nicht ohne
berechtigte Süffisanz.
Die Frau selbst berichtet
von Machtgehabe, Erniedrigungen, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt,
die sie bei den Beamten beobachtet habe.Einer der beiden habe sie gepackt,
hochgezerrt, dann in den Nebenraum verfrachtet und gegen einen Türrahmen
gestoßen.
Die beiden Beamten wissen als
Zeugen sehr einhellig hiervon nichts, die Rumänen haben dasselbe beobachtet wie
die Dolmetscherin.
Die Vorsitzende liess ein
Gutachten erstellen, ob die Verletzungen der Frau so geschehen sein könnten wie
von den Beamten geschildert. Die Rechtsmedizinerin erklärte, dass das
beobachtete "Einnässen" der Frau eine mögliche Reaktion "in
Todesangst" sei. Die Verletzungen könne sie sich nicht selbst beigebracht
haben. So wurde das Verfahren gegen die Frau immerhin eingestellt. Dass
kein Freispruch erfolgte, lag wohl an einigen Überreaktionen der
Dolmetscherin.
Die Staatsanwaltschaft hat
inzwischen die Ermittlungen gegen die Beamten wieder aufgenommen-es roch ihr zu
sehr nach einer abgesprochenen Falschaussage.
Es steht zu hoffen, dass der
unerschütterliche Glaube einiger Beteiligter an fest angebrachte
Heiligenscheine bei Polizeibeamten nun ins Wanken gerät. Erste Reaktionen gibt
es: in Nürnberg wurde zum 1.März 2012 eine neue Dienststelle "Amtsdelikte"
eingerichtet, die bei Beschwerden von Bürgern über polizeiliche
Übergriffe tätig werden soll. Hoffentlich ist´s mehr als weiße Salbe.
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