Der
Strafprozess gegen „Ulrich H.“ hat mindestens genauso viele Fragen aufgeworfen
bzw ungeklärt gelassen wie er pseudo-gelöst hat. Für mich sind dies: die
erstaunlicheEile, die Rolle der Verteidiger und die Herkunft des Geldes.
Es
ging ja alles in einem Affentempo. Das soll so sein, das fordert auch Art. 6
der Menschenrechtskonvention, es ist nur in deutschen Strafprozessen alles
andere als die Regel. Als nach dem 2.
Prozesstag der Stick von Hoeness auftauchte, auf dem 70 000 Seiten Daten über
seine „Geschäfte“ gespeichert gewesen sein sollten, wurde vielfach (zB.im
Kommentar der Süddeutschen Zeitung von Heribert Prantl, seines Zeichen
geborener Staatsanwalt) mit einer Aussetzung des Verfahrens gerechnet, um auch
für die Kammer die Daten aufarbeiten zu können.
Das
Finanzamt Rosenheim hatte Ulrich H. mehrfach aufgefordert, den Stick
herauszugeben – vergeblich, er kam erst auf den letzten Drücker.
Das
Gericht behalf sich mit Informationen aus zweiter Hand, statt sich selbst mit
den neuen Informationen zu befassen, auch etwas seltsam. Es vernahm die
Beamtin, die die Daten auf dem Träger ausgewertet hatte, haben sollte.
Ihre
Vernehmung ergab Erstaunliches: aus den angeklagten 3, 5 Millionen an hinterzogenen
Steuern wurden auf einmal 28, 5 Millionen – also das Achtfache.
Üblicherweise
würde dergleichen auf Seiten der Verteidigung – vorsichtig gesagt - erhöhte Aktivität bewirken: Eine
Belastungszeugin in ihre Einzelteile zu zerlegen, ist nicht nur höchste Lust
sondern vor allem vornehmste Aufgabe des Verteidigers. Die Verteidigung von
Ulrich H. hatte dagegen nicht viel zu sagen: die neuen Vorwürfe seien
„sachgerecht“, wurde verlautbart. Man stelle sich vor: im Keller des wegen
Mordes Angeklagten werden im Laufe eines Verfahrens acht weitere Leichen
gefunden und die Verteidigung und der Angeklagte sagen nur: „Ja, stimmt, geben wir zu!“ und das Gericht zieht nur kurz die
linke Augenbraue hoch und urteilt statt „lebenslänglich“ eben „acht mal
lebenslänglich“ (oder wie dergleichen als Gesamtstrafe beurteilt würde) – nur
kein größeres Aufhebens?!!
Erwartet
hätte der Zuschauer größere Proteste, Anträge auf Aussetzung des Verfahrens und
andres. Nichts von alledem.
Gut –
die Verteidiger hätten sich mit ihrer vorherigen Strategie in die Wolle
gekriegt - die hatte ja gelautet: „hatte unser Mandant ja alles schon in
seiner Selbstanzeige geoffenbart!“ und so durfte es jetzt nichts „Neues“ sein.
Aber
auch hier hakt es: wenn es aus der
Selbstanzeige hervorgegangen wäre, hätten diese Informationen ja vielleicht
auch von der Staatsanwaltschaft, die die Anklage erhoben und vom Gericht, das
sie zugelassen hat, bemerkt werden können?
Weiterhin:
so ganz schlüssig macht es das
ergebene Schweigen der Verteidigung dennoch nicht, denn die Kette ihres
Rettungsankers „Selbstanzeige“ war ohnehin schon gerissen. Nicht nur alle
Spatzen rundum hatten ihre Unwirksamkeit bereits von den Dächern gepfiffen –
auch das Gericht hatte klargestellt, dass ihre Wirkung nur noch auf der Ebene
der Strafmilderung liegen könne – das
Thema „Strafbefreiung“ war längst perdu.
Hätte
Hoeness für eine solche „Verteidigung“ anerkannt kompetente Steuerrechtler
gebraucht? Um „jawoll!“ zu allen weiteren Vorwürfen zu sagen hätte es ja ein
bräsiger Provinzanwalt aus Holzkirchen auch getan.
Und noch mehr muß der Fleiß beziehungsweise das
Tempo der Datenauswertung auf dem Stick Verwunderung hervorrufen: 70 000
Seiten.
Benötigt jemand auch nur eine Minute, um vom
wesentlichen Inhalt einer Seite Kenntnis zu nehmen, ergäben das 70 000 Minuten.
Und
in einer derartigen Akte muß wohl alles gelesen
werden: in sonstigen Ermittlungsakten sind jede Menge „Spurenakten“ dabei, also
solche mit fotografierten Tatorten, Tatwerkzeugen, die beliebten Kreideumrisse
der aufgefundenen Leiche etc. – das kann bei umfangreichen Verfahren schon mal
ein Drittel ausmachen. Dazu kommen die Seiten mit den persönlichen Daten der
Zeugen – auch die könnte man beim
Überfliegen weglassen.
Hier
handelte es sich vermutlich um ein Sammelsurium von Zahlen und Daten aus
Aufträgen, Kauf- und Verkaufsentscheidungen und aufgelisteten Kontoauszügen.
Wer daraus eine Steuerschuld errechnen
will, muß schon ziemlich fieseln.
Die
(fingierten, sicher ehr knapp gerechneten) 70 000 Minuten ergeben 1166 Stunden. Umgelegt auf 8-Stunden Tage: deren 145. Umgelegt auf
Monate sechs komma sechs. Und das nur zum schnellen,
oberflächlichen Querlesen. In einen Leitz-Ordner passen etwa 300 Blatt. Um
deren 70 000 unterzubringen bräuchte es 233 Ordner mit eine Gesamtlänge von
etwa 14 Metern.
In kürzester Zeit festzustellen, dass es zwischen Seite 12 387,
vorletzter Absatz und Seite 43 523,
3.Zeile, einen Widerspruch gibt, weil
am 23.Juli 2009 die Zinsen für griechische Staatsanleihen nicht 6, 75 % betragen
hätten, die Vontobel-Bank sich also mit ihrer dortigen Berechnung selbst
geschädigt hätte…oder ähnliches…: ein Ding der Unmöglichkeit.
Die
Datei war ja vermutlich nicht als perfekte Excel-Datei aufbereitet, sondern die
angefallenen Geschäftsvorgänge allerhöchstens unter dem Gesichtspunkt
„Chronologie“ abgeheftet.
Rein
theoretisch hätte das Finanzamt natürlich
mehrere BeamtInnen oder HiWis
abordnen können: bei der chronischen Personalknappheit allerdings wenig
wahrscheinlich.
So
ergaben sich also SCHWUPDIWUPP mal eben gut 25 Millionen mehr an hinterzogenen
Steuern und die Prozessbeteiligten nahmen davon lethargisch Kenntnis wie ein
Mathematikschüler mit dem Taschenrechner vor sich, der nun halt „fünf mal 25“
statt „fünf mal sechs“ rechnet.
Erstaunlich
war auch das Urteil (gut: hierfür müsste man dessen Begründung kennen): wie
viele Steuern muß man in diesem Land eigentlich dem Fiskus entziehen,
damit die vor Einsatz der
Milderungsvorschriften für angemessen gehaltene Strafe (sogenannte
„Einsatzstrafe“ bei der Gesamtstrafenbildung) am obersten Rand der angedrohten Strafe von 10 Jahren ( des § 370 III
S.1 Abgabenordnung-AO - ) liegt? Sind 28, 5 Millionen so das Mittel, das der
durchschnittliche deutsche Steuerzahler dem Fiskus vorenthält? Da kann es uns ja so schlecht nicht gehen.
Sehr
merkwürdig auch die Geldgepflogenheiten unter Millionären und damit zur Frage „wo kam das Geld her?“.
Gut,
Hoeness verdiente eigenen Angaben zufolge zwischen 5 und 9 Millionen
Euro/Jahr. Da bleibt bei mittelmäßig
bescheidener Lebensweise einiges übrig für Luxusausgaben wie Friseur, Bayern-Schal,
Fußballbilder sammeln und Doppelauspuff für den Audi.
Und
eigentlich müsste es auch für die Finanzspielchen gereicht haben. Die ersten 22
Milliönchen sollen aber nun von Robert Louis-Dreyfus gekommen sein – laut
Hoeness einem guten Freunde….Das waren sie in der Tat. Dreyfus, der 1996
Olympique Marseille gekauft hatte, hatte 2008 mit Hoeness den Wechsel von
Ribéry nach München ausgehandelt. Es existieren noch viel mehr an sowohl
geschäftlichen wie auch privaten Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen den
Beiden, näheres (und : Interessantes!) bietet hierzu zB der „Stern“ vom
23.04.2013
Vermutungen,
diese kleine Finanzspritze sei ein bisschen Anfütterung gewesen, damit der
Arbeitgeber von Dreyfus –die Firma adidas – zum Hauptsponsor des FCB gekrönt
würde, hat Ulrich H. zurückgewiesen. Es habe schon zeitbedingt einen Zusammenhang nicht geben können, weil Dreyfus
damals schon bei adidas ausgeschieden gewesen sei und er„deshalb“ keinen
Einfluß mehr auf die Geschäfte von adidas gehabt habe. Naja…als wäre es derart absurd, dass ein einflussreicher
Manager auch andere einflussreiche
Manager kennen könne…Herrn Hainer zu Beispiel.
Ich
will jetzt nicht mit meinen Kenntnissen vom Millionärsverhalten prahlen, ich
konzediere: sie beschränken sich auf den großen Dagobert Duck.
Da
gibt es eine nette Szene, wo er
–alldieweil er es selber leid ist –
seinen armen Onkel Donald einsetzt, sich für ihn Sorgen zu machen. Donald kurvt
also im Zimmer herum, die Hände auf dem Rücken, die Stirn gerunzelt und
lamentiert über das Schwinden der Talerchen,
die bösen Panzerknacker und anderes.
Als
er sich mal kurz hinsetzen will, wird der müde Onkel sofort hellwach: „Für
Jammern im Sitzen zahle ich weniger!“
Gut,
Millionäre könnten auch großzügiger sein, aber wie soll es zu dem Deal mit
Hoeness gekommen sein? Dreyfus wird gewusst haben, dass Hoeness nicht von ALG
II lebt. Warum sollte er ihm Geld anbieten, wenn er weiß, dass Hoeness davon in
ausreichendem Maße besitzt? „Du, Uli – kommst Du eigentlich klar mit Deinen
Einkünften?“
( von 13 698, 63 Euro je Tag, wenn man an der untersten Grenze von
5 Mio./Jahr bleibt) .
Würde
ein Mann vom Schlage Hoeness sich entblöden,
einen anderen aus der upper class mal eben anzupumpen?
Nun
endlich meine (genauer: meines Freundes Dieter! –danke, Dieter!) Verschwörungstheorie:
wie, wenn es nicht der durchaus rechtzeitig verstorbene, potentielle Zeuge
Dreyfus war, der die Milliönchen gestiftet hat, sondern es das Vereinsvermögen
des FC Bayern war, an dem sich Hoeness mal „zum Zwecke von dessen Mehrung“
bedient hatte? Wäre es das gewesen, wären die Taten des Ulrich H. aller
Voraussicht nach auch noch Untreue (§ 266 StGB) - Hoeness mithin komplett diskreditiert und
als gesellschaftlicher Moralapostel erledigt gewesen.
Wäre
das nicht der schlüssigste Grund für so große Prozesseile und merkwürdig
kastriert wirkende Strafverteidiger?
Doch
lassen wir Uli Hoeness selber davon sprechen, wie die Reichen das so machen….–
ein Zitat aus (s.u.)
„wenn die SPD und wenn
Herr…wenn Frau Nahles und Herr Gabriel nimmer weiter wissen – dann kommt
Vermögenssteuer, dann kommt Erbschaftssteuer,
- und am Ende nutzt das gar nichts – wissen Sie warum?- weil: die
Reichen gehen dann nach Österreich und in die Schweiz und dann hammer g a r
nichts davon. W i r müssen die
Reichen hier halten, damit sie weiter gemolken werden können, wie das in der Vergangenheit der Fall
war. und dafür müssmer Voraussetzungen schaffen.“
(SO sprach Uli Hoeness in einer
Diskussion bei Günther Jauch mit Katja
Kipping, Hannelore Kraft und Edmund, dem Zerstoiber)
Offenbar ist das bisher
weitgehend unentdeckt geblieben, denn bis 18.03.2014 haben erst 3864 Leute des
Uli H. kluge Analyse sehen wollen (unter: http://www.youtube.com/watch?v=obrSKA_-dO4
)
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