WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

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Mittwoch, 30. Januar 2008

Opa brennt !

Früher, als alles sowieso noch besser war und es weder Spinner (die Tote/Leichen plastinieren) noch Kriminelle (Zahngolddiebe) gab, war alles kein Problem: Opa war tot, man begrub und beweinte ihn und die Welt ging schwarz gewandet weiter ihren Gang.
Nun ist aber "anything goes" angesagt und da müssen vermutlich unterbezahlte Leichenbestatter wohl nach weiteren Geld- und Goldquellen suchen: in Hof und Nürnberg taten dies einige, suchten in Opas Asche nach dessen unverbrannten Goldzähnen , fieselten sie heraus und machten sie zu Geld.
Auf den ersten Blick denkt man sich irgendwie diffus: Also, so geht´s ja net!
Im Detail führt die Betrachtung in schönste juristische Kontroversen - der heutige (30.01.2008) Bericht in den Erlanger Nachrichten("Männer störten Totenruhe") zeigt dementsprechend das bekannte Bockspringen der Gerichte: Amtsgericht Hof (Freispruch) wird aufgehoben von Oberlandesgericht Bamberg(Verurteilung wegen Diebstahls).
Für den Juristen ein ärgerlicher, aber auch sehr erfreulicher Vorgang.
Ärgerlich, weil wir Juristen den Anspruch haben, ein lückenloses Welterklärungssystem zu besitzen, wo nichts durch die Maschen fallen kann.
Erfreulich aber, weil es die Systemdiskussion mit Ausflügen in Ethik, Religion , Anstand trefflich anschüren kann.
Die Leich´- und sei sie auch noch so schön - wird von einigen Wenigen als eine ganz normale Sache angesehen mit allen Konsequenzen: an ihr bestünde Eigentum, man könnte sie stehlen, verkaufen und anderes. Aber das ist doch auch dieser Denkrichtung etwas zu sachlich: irgendwie möchte man mit Opa nicht gehandelt sehen wie mit Eisenbahnwaggons oder Rettichen. Die Leiche wird daher überwiegend als "res extra commercium" (Sache ausserhalb des Rechtsverkehrs, Handels) angesehen, für die Besonderes gelten soll.
Mit dem Tod wird es aber dennoch problematisch: kann eine Leiche (oder dann deren Angehörige? Was ist, wenn es keine solchen gibt?) noch Träger von Rechten sein, wenn mit dem Tod die Rechte auf die Erben übergehen? Wenn alle Rechte übergehen, könnten dann die Erben mit der Leiche und ihren Teilen tun, was sie für richtig halten (sie z.B. zum Plastinieren verkaufen)?
Wie wenig man an solche Probleme gedacht hat, zeigt exemplarisch ein kurzer Blick auf die Friedhofssatzung der Stadt Braunschweig:
" § 10 Aschenreste
Nach der Beendigung der Einäscherung ist die Einäscherungskammer sorgfältig zu reinigen. Die verbliebenen Aschenreste sind der Einäscherungskammer zu entnehmen, mit dem erkennungsschild in einem Behälter(Urne) zu sammeln und zu verschliessen; im übrigen wird auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen(...)"
Irgendwo ein Problem? Offenbar nicht - die "gesetzlichen Vorschriften" sollen es richten, d i e sind aber gerade das (offene) Problem.
2 Tatbestände bleiben für den Plomben"dieb" möglich:
Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) oder / und Diebstahl (§ 242 BGB).
Man soll irgendwie nicht in der Totenasche rumrühren, Leichen ausgraben oder ähnliches, klar. Dennoch hat unser Rechtsgefühl hier wieder nur die problemlosen Fälle im Auge. In dem Hofer Fall hatte es eine Aschemühle gegeben, die die Asche der Vertorbenen automatisch vom Zahngold und anderem Unbrennbaren schied und diese Reste in eine extra Schublade sortierte. Hätte in dieser Schublade noch irgendwie "Totenruhe "geherrscht, die man hätte stören können? Nicht ganz zu Unrecht meinte das Amtsgericht Hof: nein.
Man hätte ja nicht einmal eine darin enthaltene Plombe einem konkreten Menschen oder seiner Asche zuordnen (und in die richtige Urne tun) können!
Da gibts aber nun etwas, was sowohl im Rahmen des Strafrechts als auch des Zivilrechts (Eigentum an Leichenteilen?) eine Rolle spielt: so eine Art "postmortaler Persönlichkeitsschutz". Der soll also dafür herhalten, dass auch das Aschekörnchen immer noch mit etwas Pietät behaftet ist und auch noch der kühlste Vorgang im Umfeld von Opas Asche das Pietätsempfinden der Angehörigen oder der Gesellschaft tangiert.
Das geht immer nach dem Motto, dass man etwas als strafwürdig empfindet - das entsprechende Gesetz findet sich schon.
Mir ist bei "Gefühlen" im Recht immer etwas mulmig: Entscheidungen sollen ja aus vielen Gründen (Stichwort"Nulla poena sine lege", "Garantiefunktion des Tatbestands") weitestgehend vorhersehbar sein - ich will ja wissen, ob meine künftige Tat strafbar ist oder nicht- das darf nicht davon abhängen, dass der Richter schlechte Laune hat, weil ihn wieder seine Frau geschlagen hat.
Wenn man es sachlich und ohne Gefühle sieht: die Asche soll in die Urne (wenn es schon ein extra Kästchen gab, gehört das Gold offenbar nicht dazu) und auch nur die Asche ist mit Pietät behaftet, also hat die Freispruchslösung durchaus etwas.
War es Diebstahl? Waren die Plomben eine "fremde bewegliche Sache"? Oder hatte nicht der Tote jedenfalls seinen Gewahrsam verloren? Wenn ER also keinen Gewahrsam mehr hatte, waren dann die Plomben nicht"herrenlos" und man konnte sie sich aneignen? Oder hatte die Friedhofsverwaltung ersatzweise Gewahrsam?
Die eleganteste Lösung war für mich die der Staatsanwaltschaft Nürnberg: d i e hatte jedenfalls auf versuchten Diebstahl plädiert: "eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt" (§ 23 StGB)
Weil die Täter ihr Werk heimlich und mit konspirativen Zügen verrichtet hatten, waren sie offenbar selbst der Ansicht, Strafbares oder Strafwürdiges zu tun und wären deshalb wegen Versuchs zu bestrafen.
Aber auch diese Lösung ist nicht wasserdicht: an dieser Stelle müsste man 2 weitere juristische Schmankerln diskutieren: den untauglichen Versuch und das Wahndelikt.
Da muss man aber wirklich Jurist sein oder n o c h mehr Zeit haben. Daher mit Bert Brecht:
Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruss:
wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluss.
Vor schwebte uns: die goldene Legende.
Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
den Vorhang zu und alle Fragen offen.

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