WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

_____________________________________________

Sonntag, 24. März 2013

Planungsversagen




Die Wucherungen unserer Städte sind ehr Geschwüre als Wohngebiete.Ungesund, deformiert, deformierend.Vorbei die Zeiten, als sich Bürger ihre Häuser noch selbst bauten und dabei ein Empfinden für das gemeinsame Ganze hatten – also einem Zustand, den Alexander Mitscherlich („Die Unwirtlichkeit unsere Städte“, Suhrkamp 1972) so charakterisiert:

„Der Stadtbürger großer Tradition fand seine Identität durch den Zwang, Verbindendes und Verbindliches, also den Kanon vom Kollektiv zugelassener Selbstdarstellungen einhalten und variieren zu müssen. Dabei durfte er nicht aus der Ästhetik der Gruppe fallen.“

a.a.O. S.35

Solches lässt sich an allen gut 100 Jahre alten Ensembles (zB Erlangen, Lorlebergplatz) beobachten: Das Ganze wirkt als Einheit, dennoch ist jedes Haus anders, glänzt durch kleine, individuelle Variationen im vorgegebenen Rahmen.



Inzwischen gibt es weder mehr den innerstädtischen Bauherrn mit Gemeinsinn  noch überhaupt den Privaten als Bauherrn. Überteuerter (weil nicht rechtzeitig enteigneter!) Grund und Boden wird von asozialen, ahnungslosen Gelddruckgesellschaften alias „Bauträger“ zum Nachteil aller mit schuhschachtelförmigen Kästchen zugekleistert. Hauptsache, genug Geld rausgepresst.

„Das Einfamilienhaus, ein Vorbote des Unheils, den man immer weiter draußen in der Landschaft antrifft, ist der Inbegriff städtischer Verantwortungslosigkeit und der Manifestation des privaten Egoismus.“

a.a.O., S. 36

Krasses Beispiel für völliges innerstädtisches Planungsversagen ist die „Siedlung“, die in Erlangen so eine Art Blinddarm von Siemens ist. Konzipiert (schon das zu viel der Ehre!) für Siemensler, die (noch) genug Geld haben. Dabei hat man sich offenbar nichts, aber auch gar nichts gedacht: Eine völlige Ver-Parzellierung der zu Verfügung stehenden Flächen, jedem sein winziges Schächtelchen. Wie Kinder miteinander Fangerles spielen, Sandburgen bauen, Indianer und Cowboy sein sollen und wo: Pustekuchen. PC und Playstation reichen.
„Mami – was ist eine ´Amsel` ?“
Wie sie auch beizeiten ein Gefühl für soziales Verhalten spielerisch einüben sollen: „uns doch wurscht!“. Wie man knappe innerstädtische Flächen sinnvoll nutzt: keine Idee. Kleinste, ausschließlich rechteckig angelegte Einzelhäuschen mit winzigsten Kleingrünflächen für jede „Familie“ (soweit man unter solchen KZ-Umständen „Familie“ sein kann). Und die pseudo-individualisierten Handtüchlein werden noch verkleinert dadurch, dass man auf jeden Spielzeugeisenbahn-„Gärtchen“ ein fettes, überdimensioniertes  Gartenhaus gestellt hat, denn: die 7 qm Rasen pro Schachtel wollen ja gemäht, gedüngt, vertikutiert… werden. Hätte man die Häuser sinnvoll und sozial angeordnet, das Grün zum Gemeinschaftsgrün gemacht, hätte man sich 30 Rasenmäher sparen und 30 mal die für alle verloren gegangene Fläche für das Gardenia-Zubehör sparen können. Im derzeitigen Zustand dauert ja das Anlassen des Rasenmähers länger als der Mähvorgang selbst (sprach traurig das Schaf). Bäume? Beschattung? eine Bank für den auf die Kinder aufpassenden Opa? Räume für Kommunikation zwischen den Bewohnern?-alles Pustekuchen.
Genau so sieht die Welt aus, wenn jeder nur an sich denkt und deshalb „an jeden gedacht“ ist.



Sonntag, 17. März 2013

Grundfragen der Wirtschaft I


Was ist der gerechte Preis –und vor allem: wann ist er´s? Darüber haben sich die Schumpeters und Keynes´dieser Welt schon viele knackige Gedanken gemacht.
Auch der Inhaber dieses Lädchens hier:



 in dem es all die Dinge und Dienstleistungen gibt, die uns die Großen und Geldgierigen zunehmend verweigern. Die unentbehrlichen Flaggen aller Frauen Länder für die Fußball-WM, Schnürsenkel, extra angefertigte Ersatzschlüssel für Schussel wie mich.
„Preis“ ist nicht „Preis“ wurde mir mal wieder klar. Mein Blick war auf ein paar Cowboystiefel gefallen, für die Obiges auch galt: in 30 Jahren habe ich es gerade drei Mal geschafft, unpeinlich-schnörkellose Stiefel zu finden.
Ihr Preis: 120 Euro. Geht. Der türkische Inhaber meinte: „Wenn nämmen – 100 Euro!“
Sage mir, verehrtes Publikum: unter welchen Umständen kosten sie dann 12o,- ?

Donnerstag, 14. März 2013

Gleitcreme light



Wer hier anruft - dem geht´s gut. Er kriegt sein zu teures Zimmer vermutlich von der Firma gesponsert und darf beziehungsweise muss früh mit dem Taxi zur Arbeit fahren. "Arbeit" - das ist in aller Regel die große Erlanger Weltfirma mit hinten "S" und vorne "S"- früher "Elektrokonzern" genannt- heute ein schlecht geführter Gemischtwarenladen, der seine Ausrichtung nach einem undurchschaubaren System heute in die, morgen in eine andere Richtung ändert. Heute hier ein Firmachen für teures Geld kauft, es morgen wieder abstößt.Stichworte "Desertec" oder "Wasseraufbereitung".
Bevor der Mitarbeiter zu seinem Zimmerchen kommt, muss er als Anrufer viel Zeit investieren. Am Telefon hört er

 "Zeitwohnhaus Erlangen, meine Name ist Sandra Büttelbrunner, was kann ich für Sie tuuuun...!?"

Kann den Sandra B. nicht einfach freundlich sein und dies mit ihrer Stimme, Stimmlage signalisieren? Muss sie - aus welchen Gründen auch immer - solche sinnlosen Bandwurmsätze absondern, die die Zeit des Angerufers stehlen? Und ihm zudem immer die Frage nahelegen, ob er es nun mit einem Automaten oder einem echten Menschen zu tun hat? SO ist es sinnlose Arschkriecherei aus einem dieser "ich-betreibe-eine-Firma-very-successfully!"-Leerbücher, die offenbar von 26 jährigen BWL-Abonnenten alle paar Jahre auf den Markt geworfen werden und die niemand braucht.
Mit eingeschaltetem Gehirn und ein paar klassischen Tugenden wäre es ganz einfach (und: besser!) gegangen. 

P.S. Nachdem ich dieses banale Artikele auch dem Hotelbetreiber geschickt hatte (Motto: "Sapere aude!"), bedeutete mir beim nächsten Besuch eine Angestellte, ich dürfe künftig meinen Cafe woanders trinken.
..meiner Treu...: als wäre es um das Hotel oder Kritik an ihm gegangen: es war offensichtlich nur Aufhänger.
Nun ja: es ist mich damit los.
Jetzt wirds langsam eng für mich in Erlangen: in einem Café kriege ich keinen Café mehr, weil ich in "menschenverachtender" Weise ein albernes Sätzchen über den Alleinunterhalter anläßlich des Caféjubiläums abgesondert hatte, das Manhattan schafft es nicht, sein WLAN zu reparieren...bald bin ick janz alleene...  

Montag, 4. März 2013

Starke Standbeine für Flachbildschirme




 http://www.vkb-servicepool.de/200-jahre/img/historie/imgHistorie20.jpg
Wie schön zu wissen, dass es hoch qualifizierte Menschen gibt, deren Herzensanliegen es ist, unsere Existenz stabil in einem Ratingzustand zwischen AAA und AA zu halten.
Einer dieser Herzensschätze ist der Vorstandsvorsitzende der bayerischen Versicherungskammer (sie will VKB heissen, also „Versicherungskammer Bayern“).
Auf der Finanzseite der SZ vom 2.März 2013 (S.33) gibt er uns tiefe Einblicke in sein wackeres Streben-Einblicke, die vorwiegend zeigen, dass man sich anscheinend schon dadurch zum Chef qualifizieren kann, dass man das Büchlein „Erfolgreich bewerben“ auswendig gelernt hat.
Die hochgradig spezifischen Erkenntnisse, die er uns da über das Versicherungswesen im allgemeinen und sein Firmachen im Speziellen vermittelt, sind wegweisend:
Zur Frage „wie steht der Konzern da?“:

„…ist im Wettbewerb klar und stark positioniert. Seine wesentlichen Kennzahlen entwickeln sich erfreulich und wir erarbeiten uns stetig Wettbwerbevorteile.“

Und nun – er läuft zu Höchstform auf:

Unsere Aufgabe ist es, auch in Zukunft die Interessen der Kunden, Vertriebspartner und Eigentümer zu vertreten und uns an unseren Versprechen messen zu lassen?

(War jetzt zwar nicht eigentlich gefragt, klingt aber bestens).

Ja, und persönlich, Herr Walthes, was hammer da so drauf (neben dem Streben, den flächendeckenden Multikanalvertrieb weiter so geil wie bisher zu stärken?

„Natürlich gibt es auch Schwächen, die ich aber auch als Chancen sehe –buff-ta-ta! Wir beweisen seit 1995, dass wir uns in einem dynamischen Umfeld erfolgreich entwickeln können.“

Hach – Gott sei dank habe ich immer mein Tempotaschentuchpäckchen dabei.

Herr Walthes – fehlt nur noch, dass Du-so ganz persönlich- so ungeduldig bist!
Denn erst damit zeigt der echte Karrierist, wie aufgeregt-dynamisch-mistkratzend er ist und damit die Gewähr bietet, weiter den Boden des Wirtschaftsstandort Deutschland erfolgreich zu bekratzen.