WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

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Dienstag, 30. März 2010

Leere Netze

Wer fischen will, weiß normalerweise, was er zu tun hat (gut: der arme Neger vor Afrikas Küsten weiss es nicht mehr: ihm gerät nur noch der weggeworfene Beifang der europäischen Großfangflotten ins Netzt...was braucht der Neger Fisch-er hat ja seine Wüste...). Er wird die Maschen entsprechend wählen und in seinem Netz wird das Erwartete sein.
So war es in der Politik auch mal: da hatten Dinge ihren festen Platz, da waren bestimmten Vorgaben bestimmte Folgerungen zugeordnet, die in der Regel nicht abwichen. Wenn A, dann B: wer in Bochum bei Opel gearbeitet hat, war eben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit SPD-Wähler. Dass das nicht mehr so bleiben würde, hat Habermas schon vor über 25 Jahren festgestellt: dass eben die "prägende Kraft der Arbeitswelt" im Schwinden sei.
Die Dramatik dieser Entwicklung und ihre weit reichenden Folgen werden nur leider mit mehr oder weniger Bestürzung konstatiert, kaum aber analysiert. Ich kann das erst recht nicht, aber einige Auffälligkeiten feststellen.
In einem Artikel in CICERO (sehr gute Zeitschrift übrigens, da müssen sich die ganzen Pornos der gehobenen Klasse wie Spiegel oder gar der schmierige Focus kräftig verstecken) war zu lesen, Merkels Politik lasse "die große Linie vermissen". Und im SPIEGEL vom 22.03.10 war ein Artikel über die schöne neue Arbeitswelt, wo es immer weniger feste Arbeitsverhältnisse und immer mehr Einzelkämpfer gibt, die sich zu oft haarsträubenden Konditionen prostituieren müssen, um nur zu überleben.
Zwischen diesen beiden Dingen gibt es einen klaren Zusammenhang. Früher traten Meinungen meist in fest geschnürten Paketchen auf: wer sich erlaubt hat, die Politik des Staates Israel zu kritisieren( was ja immer noch ein Verbrechen ähnlich dem Hochverrat ist), der schätzte auch das "Engegament" (oder den Massenmord) der USA in Vietnam nicht, war Bundeswehr-kritisch eingestellt und gönnte der Sowjetunion immerhin ein Existenzrecht(nur so als Beispiel). Solche Paketchen gibt es heute nicht mehr - die Interessen sind diversifiziert und wer heute einen politischen Vorschlag macht oder eine Meinung vertritt, kann sich kaum noch sicher sein, wen er damit erreicht. Aus diesem Grund wirkt heute alle Politik wie ein völlig willkürliches, gestopseltes Flickwerk - nur kann - trotz aller Freude am Politik-Bashing - dafür eigentlich die Politik nichts. Sie agiert nur in einem Milieu der separierten Einzelkämpfer und versucht ebenso krampfhaft wie erfolglos, die längst zerronnenen Sicherheiten wiederzugewinnen.
Dies ist a u c h eine Folge der Tatsache, dass Leute heute nicht mehr in geschlossenen, von zumindest teilweise identischen Interessen geprägten Milieus agieren, sondern als Einzelkämpfer. Ihnen bleibt gar nichts übrig als vorwiegend an ihre eigenen Interessen zu denken. Was mag es für sie und die Befindlichkeiten kommender Einzelkämpfer-Generationen zu bedeuten haben, wenn keiner mehr die Erfahrung der sozialen Solidarität macht? Nie auf die Idee kommt, mit anderen zusammen für ein Interesse zu kämpfen, das vielleicht nicht einmal das eigene ist? Weil es weder gemeinsame Interessen noch - wenn es sie gäbe - einen gemeinsamen Gegner oder Adressaten für ein Anliegen gibt?
Ist es da ein Wunder, wenn Leute sich von der Politik nicht mehr vertreten fühlen, weil kein Politiker(ausser die F.D.P. vielleicht - Reiche gibts ja noch ein paar) weiß, für wen er eigentlich Politik machen soll, um die lumpigen Stimmen zusammenzukriegen, die er fürs Regieren braucht?
Alle Versuche, der Falle der sich auflösenden sozialen, gesellschaftlichen Subsysteme zu entgehen, waren (und mußten sein) erfolglos: die Gewerkschaften haben es versucht, als sie in den Achtziger Jahren der weglaufenden Klientel mit "Gewerkschaften gegen Atomkraft" zu begegnen suchten. Konnte natürlich nichts werden. Denn es gab ja auch den KWU-Arbeiter-und der wollte seinen eigenen Arbeitsplatz natürlich nicht wegbekämpfen. Etwas kurzsichtig war diese Aktion.
Da gründet man dann halt "Attac" und hofft, das könne das Hilfsmittel gegen alle Leiden an der Entwicklung und der Globalisierung sein. Wollen wir hoffen, dass es ein Pflästerchen sein kann.

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