
Kann und soll es im Zeitalter von facebook
eigentlich noch Individualität geben?
Individualität entsteht aus einer Kombination der
unendlich vielen Möglichkeiten, Meinungen, Vorlieben, Befindlichkeiten,
Geschmäcker, Glaubensüberzeugungen und Gefühle
zu haben und diese in verschiedenen Dosierungen, unterschiedlichen
Schattierungen für sich zu behalten, öffentlich zu machen, sie nur in Teilen zu
kommunizieren, sie zu verheimlichen, offensiv mit ihnen umzugehen, kurz: im
Meer der Chancen irgendein Fels zu sein und dies auch sein zu wollen. Wo solche
Position eingenommen wird, lebt diese also von und mit Abgrenzung.
Raus aus der
Kiste!

Platz für Unterschiedliches ist genügend vorhanden.
Wer sich positionieren will, hat der Möglichkeiten genug-wer sein je eigenes
Bild gefunden hat, ist mit grosser Wahrscheinlichkeit anders als andere. Wer (nur)ein „Mann-ist der dick, Mann!“ in der Negerkusspackung ist, ist nicht von
anderen unterschieden, sondern zum Kieselsteinchen in der Bitumenmasse
geglätteter Schnellbahnen oder zu Schaummasse geworden, bei der nicht einmal
die äußere Form noch Unterscheidungsmerkmal ist oder sein will.
Wer mehr als „schokoladenummantelte Schaummasse mit
Migrationshintergrund“ sein will, bezieht Position und entwickelt die eigene
Form und Sprache in kommunikativer Absprache und Abgrenzung zu anderen. Das
aber setzt Differenzierungswillen und –fähigkeit voraus. Diese beiden Grundvoraussetzungen
verschwinden, wo die Äusserungsmöglichkeiten deutlich unter die eines (von mir
sehr geschätzten) Rindviehs herabsinken, nämlich nicht einmal die eines
Kleinkindes erreichen, das immerhin bereits zwischen „schmeckt mir“ und
„schmeckt mir nicht“ unterscheidet. Wie kommuniziert der facebook – Nutzer,
worin zeigt er seine eigene Art, seinen Stil, eben „Individualität“? Im
Wesentlichen durch Sammeln von „likes“ – durch sie vergewissert er sich seiner
Existenz im Netz – je mehr er von den ihn bestätigenden likes sammelt, desto mehr ist er aber
Schaummassen-Dickmann, denn er hat ja nicht „Positionierung“, sondern nur etwas
gesucht und bekommen, was jeder ihm als einzige zur Verfügung stehende Möglichkeit sagen kann und nun zugewiesen hat. Gut,
die „Freunde“ könnten schweigen . . . Sie werden es aber nicht, denn auch ihre
Existenz und Existenzberechtigung haben sie längst an den like-Button
delegiert. Sie können keinen Respekt zeigen für eine Haltung, die von ihrer vielleicht
abweicht - sie können nur „SCHAUMMASSE!!“ hinauspusten in die große
Zuckerwattenwelt des ununterschieden gleich sein Wollenden.
Genausowenig Individualität entsteht oder wird als
Persönlichkeitsmerkmal kommuniziert durch die Versendung von links. Der Inhalt des links ist kein
eigener Gedanke des Versenders und er
beinhaltet (wenn er größer als 1 Bit ist) eine Vielzahl von Inhalten, von
denen die Empfänger kaum ahnen können (wenn sie es denn wollten), welchen genau
sich der Versender zu eigen machen will. Hätte der Versender eine eigene
Aussage machen wollen, hätte er sie in seine schillernde individuelle
Entäusserung eingebaut, wozu er ihren Wesenskern vorher aus dem Linkpaketchen
hätte herausdestillieren und zu einem Glitzerplättchen am eigenen Selbst machen
müssen. Das wäre genau der Prozess gewesen, in dem man Individualität hätte
erkennen können.
Die Beschränkung individueller Fähigkeiten wird noch
gesteigert durch Spracheingabesysteme, die aus Sprachschöpfern Googler und Bestätiger des vom System Vorgeschlagenen
machen und ihnen damit jeden eigenen Umgang mit der Formulierung von Gedanken
aus dem Gehirn entfernen: kaum hat man „Ich l“ eingeben, macht das System einen
Vorschlag wie „liebe“ oder „lache“ und vorbei ist es mit dem eigenwilligen,
eigenartigen Formulierungswunsch.
Wird facebook und werden seine Nutzer damit den
„Schmerz der Existenz“ aus dem Dasein getilgt haben? Ich glaube nicht: er wird
ihnen eines nicht zu fernen Tages sehr sauer aufstoßen und zu einem
nicht-digitalen Kotzen führen, wenn sie sich gewahr werden, wie monostrukturell, süß-pappig und damit stinklangweilig
das Leben in der „Mann-ist der DICK, Mann!“ –Packung ist.