WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

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Samstag, 29. September 2012

SR 500


Wer heute ein Auto oder Motorrad kauft, wird sich schwer tun eines zu finden, das nicht mit jeder Menge überflüssiges Unsinns ausgestattet ist.
Autos, in denen alles war, was was man braucht-aber vor allem: alles n i c h t  drin, was man nicht braucht, konnte man Anfang der 90er Jahre kaufen – den guten alten Mercedes 190 oder die 124er Baureihe. Auf dem Motorradmarkt ist die Entwicklung ähnlich.
Mein Liebling und in vielerlei Hinsicht eine Sensation ist die SR 500 von Yamaha. Nachgeschoben als Straßenmodell der seit 1976 erfolgreichen XT 500 fand sie ab 1978 begeisterte Käufer und war 1982 das meistverkaufte Motorrad in Deutschland.
Sie wurde beworben mit dem knackigen (aber eigentlich falschen) Satz

Für Männer, die noch richtig zupacken können

Die SR befriedigte wohl einen aus dem Bauch kommenden Trieb nach dem Ursprünglichen, nach Klarheit, Einfachheit, Ehrlichkeit. Wer das Wummern in den Klöten nicht ertragen konnte, sollte lieber Vierzylinder fahren. Die SR brauchte keine Glättung ihrer Kantigkeit, keine Ausgleichwellen, keinen Anlasser – da konnte der Mann sich noch als echter Macker fühlen.
Und-auch da ganz Mann - : die SR war und ist bildschön, schnörkellos, auch ästhetisch ein Vorbild, das heute noch genauso gut da steht wie vor 25 Jahren.
Ich kam auf sie durch einen Freund, durfte mich 1981 am Chinesischen Turm in München auf seine 2 J 4 –so hiess das erste Modell nebenher  -setzen und wusste: ICH MUSS SIE HABEN !! Sie sass wie angegossen, alles genau an der richtigen Stelle. Nichts zwickte, nichts war schlecht erreichbar, nichts war zu schwergängig (wie etwa eine Laverda-Kupplung, für die man Kraftsportler sein musste).
Also: 500 ccm³,Viertakter,  27 oder 34 PS, Verbrauch so um die 4 l im Landstrassenverkehr, mein Minimum beim Cruisen um den Comer See waren 3, 75 l – wer auf der Autobahn rast, kommt an die 5. Aber das macht ja auch nicht-die SR fährt man ehr wie einen alten Diesel: ab 75 bin ich fast immer im 5.Gang. Ich weiß auch bei meiner inzwischen 3.SR nicht, wie weit die Gänge reichen(würden).
 Die Konkurrenz versuchte schnell nachzuziehen, hatte das System aber nicht verstanden: Modelle wie die Honda FT 500 oder XBR 500 waren durchaus nette Mopeds, sie waren aber keine SR und konnten nicht annähernd deren Erfolge erzielen.
Ruiniert wurde die SR von den Beamtengehirnen: wegen irgendwelcher Lärmvorschriften wurde die Leistung von 34 PS (die immerhin für ca 150 km/h gut waren und mit denen man mit Anlauf den Kindinger Berg mit nicht weniger als 140 schaffen kann) bis auf 23 PS gedrosselt – damit konnte man kaum noch einen LKW überholen und das machte keinen Spass mehr.
Im Lauf der Zeit erfuhr die SR einige Änderungen – mal mit ehr experimentellem Charakter und nicht besonders sinnvoll (wie die Duplexbremse vorne), mal gab es riesenbreite Lenker, riesige Scheinwerfer, die schrecklichen 6-Speichen Alufelgen mit modernistischem Design – aber insgesamt wurde  eine konsequente Modellpflege betrieben, die insgesamt sinnvoll war.
Vor allem die bessere Ölversorgung des Zylinderkopfs mit einer separaten Steigleitung aussen am Zylinder war sehr zweckmäßig und reduzierte die ständige Ventilspieleinstellerei erheblich.
Die SR ist daher extrem ausgereift und zuverlässig.
Meine 91 er hat 2012 bei 7000 gefahrenen km gekostet: TÜV („ohne Mängel“) 60 €, Ölwechsel (2 l à 2,99 €) 5, 98 €, Kerze 4, 75 € . . .
Über meine gesamte bisherige 3.SR-Periode (Mai 2009 bis Oktober 2012, km 31 000 bis 73 000)hat die SR an Wartung und Pflege, Ersatzteile, Zubehör (ohne Benzin) 5,18 Cts/km gekostet.


So wurde die gute Alte bis 1999 in Europa angeboten – auch aussergewöhnlich bei den üblichen hektischen Produktzyklen. In Japan läuft sie als SR 400 (inzwischen mit Einspritzung statt Vergaser) auch 2012 noch.

Eine Meldung über die Tokyo Motorshow in  Autobild vom 30.10.09 (mit Abbildung einer schwarzen SR) schien nahezulegen, die Fans in Europa könnten sich wieder Hoffnung auf eine Neuauflage machen: „Ein besonderes Leckerli sei noch erwähnt. Die Wiedergeburt der legendären SR, jetzt mit Benzineinspritzung. Eigentlich ein Grund zum Feiern“.

Yamaha hat mir mit mail vom 1.Dezember 2009 geantwortet :

„Bei der auf der Tokio Motorshow gezeigten Variante der SR 400/500 handelt es sich um ein Ausstellungsstück.
Bisher haben wir keine Informationen darüber ob, und wenn ja wann, dieses Modell in die Serienproduktion geht“

Eigentlich schwer zu verstehen: die Läden, Logistik, Vertriebskanäle, Ersatzteile sind ja allesamt noch vorhanden, teure Forschung und Entwicklung entfiele - Renditen wie bei einem abgeschriebenen Atomkraftwerk garantiert.

Und: noch heute, mit angeblich etwa noch 17 000 zugelassenen Exemplaren, ernährt die SR eine ganze Firma: KEDO in Hamburg. KEDO ist  DER SR-Spezialist – es gibt auf 437 (!!) Katalogseiten alles rund um die SR: von der Umrüstung auf Langhuber und Leistungssteigerung um 15 PS für schlappe 2 199 Euro (Katalog S. 74) , den Sitzbankschaumkern (47, 90 Euro, S. 297) bis zum 20 l-Alu- Tank (1 150 Euro, S. 286) gibt es schlicht alles. Alles. Inclusive guter Ratschläge.

Meine Präferenzen für eine eventuelle Neuauflage: moderate Leistungssteigerung auf ca 44 PS, größerer Tank, Zahnriemenantrieb und eine Kurbelwelle mit etwas mehr Masse.

Derzeit (09/2012) bekommt man gut kaufbare SRs so ab etwa 1 300 Euro.
Wer an der Ampel auf Begeisterung stoßen oder ständig angesprochen werden will (der häufigste Satz, gehört sogar vor dem Moto-Guzzi-Museum in Mandello del lario am Comer See, dort war es ein Wiener: „DIE hatt´ich auch mal!“) kommt um die SR nicht rum.
Dank der ziemlich entspannten Sitzposition taugt die Guteste übrigens auch für längere Strecken. Dieses Jahr dachte ich-aus Elba kommend-man könnte doch eigentlich auch durchfahren bis Erlangen. Auch d a s  geht: 1090 km in 12 Stunden. Mit maximal 120 km/h-sie soll es ja überleben. Man darf sich nur nicht bei jeder Autobahnraststätte denken "...ach, eigentlich könnte ich mal wieder einen espresso vertragen-das deutsche café-Grauen kommt früh genug!"


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