WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

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Samstag, 24. November 2012

Tempelhof






Berlins Anspruch, Größe und Selbstbild ist an kaum einem Ort so perfekt und ambivalent in Stein gegossen wie in Tempelhof. Riesig groß, voller Symbole, Geschichte und Geschichten. Angetreten, der größte und mächtigste Teddybär Brandenburgs – ach nein: der Welt ! - zu sein und dann voller abgeschabter Stellen, ausgerissener Körperteile, nicht mehr funktionierenden Brummetismus´. In Tempelhof kann man sehen, dass der Berliner sich von Deutschlands vermutlich größter Nicht-Regierungsorganisation zumindest in seinem Freizeit-Alltag nicht weiter stören lässt.
Der lange Fußweg aufs frühere Flugfeld wird  von der Geschichte einstiger Grausamkeiten dieses Ortes nur marginal gestört: das  einzige KZ der Nazis auf Berliner Boden-das Columbia-Haus -  wurde schon 1936 abgerissen und ist nur  als schüchternes Blechtäfelchen verblieben


Ob als Besucher oder Nutzer des Provisoriums – in Tempelhof ist man als Mensch immer ein Nümmerchen zu klein. Frühere Größe bleibt räumlich immer überwältigend präsent. Die Reduktion des früheren Hortes von Widerstand gegen das Bedrängende der weltgeschichtlichen Entwicklung auf ein überdimensionales Spielzeug findet seinen prägnantesten Ausdruck in einem eisernen Adlerkopf, den die Amerikaner den Berlinern überlassen haben. Früher im Ganzen 4.50 Meter hoch, bleibt er jetzt nur noch  Kopf. Der Adler äugt noch messerscharf, doch mangels Körper taugt er  nicht mehr zum Überflieger.


Und so bleibt man eben auf der Erde. Rund ums Flugfeld stapfen oder tänzeln Läufer, die eine Marathonstaffel absolvieren. Wer sie aus der Nähe sehen will, erkennt die pusselige Nutzung der riesigen Fläche: hier ein kleines Gemüsegärtchen, dort ein Minigolfplatz. Auch der konstruiert mit Mini-Geschichte: wo immer möglich, formen Flugzeugteile die Bande für den Lauf des Balles.
Draußen mahnt das Luftbrückendenkmal mit stecknadelkopfgroßem Anstandsträußchen davor, drinnen mampfen schon fertige Läufer Kuchen und Currywurscht. Man arrangiert sich. Wen stört´s, dass die Räume für die Bierbänke einige Stockwerke zu hoch sind? Aber immer bleibt ein bisschen Respekt vor einstiger Größe: beim Weißeln der Wände hat man die alte Aufschrift „PAN AMERICAN“ ausgelassen. Vielleicht war aber auch bloß kein Geld mehr da für den nächsten Eimer Perlweiss.


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