WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

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Dienstag, 25. September 2007

Ehe auf Zeit

Da hat also eine Person des öffentlichen Lebens eine M e i n u n g geäußert. Das ist eigentlich nichts Ungewöhnliches in der Poltik. Schäuble startet regelmäßig seine Versuchsballons, Kriegsminister äußern politische Ab-, und Ansichten, denen vom Bundesverfassungsgericht eben noch ein klares NJET entgegengeschleudert worden war.
Aber das ist ja auch gut so: in der Demokratie soll der Kampf der Meinungen toben und nicht jeder muß zum Glück mit allem einverstanden sein, was so in den Ring geworfen wird.
Nur: dasjenige, w a s in den Ring geworfen wird, sollte g l e i c h f a l l s eine Meinung sein: nur dann zeigt man sich selbst als ernstzunehmender Konkurrent auf dem Meinungsmarkt und
zeigt auch dem Gegenüber , dass man ihn einer Kommentierung auf gleicher Ebene für würdig hält.
Im Falle Pauli konnte man aber ohne weiteres mehrere Seiten Google mit Stellungnahmen aus allen Ecken durchforsten, ohne je auf etwas anderes als eine schlichte Darstellung des Gesagten(dass man eben die Ehe nur für 7 Jahre begrenzt, sozusagen "auflösend bedingt" schliessen solle) zu stoßen oder auf diffamierende, persönlich herabsetzende Schlammwürfe und eine wohl keineswegs zufällige Arbeit mit Appellen an niedrige Instinkte.
Insbesondere die eigenen Parteifreunde taten sich mit dem Bemühen hervor, Frau Pauli (wohl im Hinblick auf die zu schönenden Ergebnisse der bevorstehenden Wahlen zum CSU-Vorsitz) als eine auf den hehren Zielen der CSU herumtrampelnde Aussenseiterin darzustellen:
Herr Max Straubinger , seines Zeichens CSU-Landesgruppenchef:"Offensichtlich ist sie auf einem Esoteriktrip!".
Peter Ramsauer (man könnte s c h o n fragen, ob hier nomen=omen ist), Vorsitzender der CSUler des Bundestags meinte, das Thema Pauli sei für die CSU so wichtig "wie das Schwarze unter den Fingernägeln". Man beachte das , womit hier verglichen wird: wer hat schwarze Fingernägel? Was soll der Leser / Hörer assoziieren? : niederste soziale Stufe, kein fester Wohnsitz, Dreck, Abschaum.
N o c h perfider, weil schein-seriös hat es faz-net gemacht, wohl wissend, was dem einfachen-und nicht nur dem!- Gemüt seit den berühmten Fotos im Kopf herumgeht:
Es wurde zunächst ein ganz normaler Satz über Paulis Ideen geschrieben, nämlich:
"Daraus leitet sich für Pauli die Forderung nach einer Umwandlung des Ehegattensplittings in ein Familiensplitting ab, um damit nicht mehr die Ehe, sondern die Erziehung von Kindern zu fördern."
Klingt ja gar nicht so dumm.
N e b e n diesem Text war ein Bild von Frau Pauli zu sehen, das ihre obere Hälfte genau in d e m Moment zeigt, als sie - mit ihrer Ducati im Hintergrund - ihre Motorradjacke auf-/auszieht und ihr Oberteil in einem der Jahreszeit durchaus angemessenen Spaghettiträgershirt zeigt.
Ich denke es ist klar, welche Botschaft dem Leser hierdurch vermittelt werden soll: "Schaut- d a s kann sie, die Schlampe: ausziehen!"
Ja, solcherart Reaktionen gibt es schon seit ewigen Zeiten, wenn es jemand wagt, nicht zu 100 % im trägen Strom der Konformität mitzuschwimmen. Etwa 1980 hatte Alexander Mitscherlich über die Reaktionen auf Rudi Dutschke und andere verlauste und ungewaschene Studenten gesagt:
"Unter einer ganz firndünnen Schicht von Höflichkeit ist blitzschnell Ekel und nach dem Ekel Wut, Haß auf das ekelerregende Geschöpf aufzuquirlen."
(A.Mitscherlich, Sinnieren über Schmutz, Suhrkamp TB 213, S.57).
Warum tut man sich wohl so schwer, mit Argumenten statt mit der Jauchewurfmaschine auf abweichende Meinungen loszugehen?
Die Unsicherheit:
wie hier schon unter "Erste allgemeine Verunsicherung" beschrieben: der Mensch will sei´Ruh`. Deshalb schliesst er sich Institutionen an, in denen man seine Meinungen vetritt, deshalb blendet er alles aus, was die friedliche Ruhe stören könnte: wie die Spaghetti im Regal soll alles schön geordnet aufeinanderliegen - übersichtlich, praktisch, stromlinienförmig, damit man jederzeit alles im Griff hat.
Der Schniedel:
Der Mann als solcher darf ja ein bißchen mehr als die Frau. Er darf nicht bloß mit seinem Schniedel denken, er darf auch die Ergebnisse solchen Denkens in die Tat umsetzen: s e i n e r Reputation tut es ehr noch gut: der Mann, der sich einen Seitensprung leistet oder sich zotig gibt ist ehr noch der bessere Mann. So wie man gerade in Bayern zu jeder Hundsfötterei immer auch ein bißchen gedacht hat "..a Hund isser scho´!"
Die Frau hingegen genießt solche Privilegien beileibe nicht: ihr ist gerade in konservativen Kreisen ausschließlich die Rolle des Heimchens am Herd zugedacht. Wohl nicht ganz zufällig sind von 18 bayerischen Kabinettsmitgleidern der CSU 3 weiblich, bei den 124 Landtagsabgeordneten sind es 24 (also: 16,6 % bzw. 19,35 % - beides g e r i n g f ü g i g unterhalb des Frauenanteils in der Bevölkerung).
Und dann kommt da so eine daher und ist nicht nur eine gute Landrätin (wie die steigende Zustimmung in Paulis Wahlkreis gezeigt hat), sondern traut sich einfach zu viel- und das noch mit dem Touch unzulässiger, ja unzüchtiger Libertinage (die berühmten Fotos)...da m u s s der Mann einschreiten und so ein Geschöpf mit allen Mitteln dahin verweisen, wo es (angeblich) hingehört: in die Schmuddelecke zusammen mit psychisch Kranken, Schwarzfingernäglern und Prostituierten.
Brüche der eigenen Biographie:
Zusätzliche Veranlassung, nur b l o s s nicht auf Argumente einzugehen kommt womöglich daher, dass man ja auch von sich selbst weiß, wie wenig aus dem eigenen Anspruch (z.B.an das erhoffte Glück des lebenslangen Verliebtseins) geworden ist: man hat ja bei den hämischen Parteifreunden auch seine Seehofers oder Waigels, die nicht haben verschweigen können oder wollen, dass die Ehe auf Lebenszeit oft genug nicht mehr als ein Traum ist.
Aber: so etwas spricht man nicht aus. Die CSU ist für "Ehe auf Lebenszeit".Punkt. Ende der Debatte.
Bei den Studiengebühren gibt es ja auch folgenden Gedanken: "was man umsonst bekommt, schätzt man nicht" (oder zu wenig), deshalb soll sich der Student /-in durch die Zahlung fürs Studium des Wertes bewußt werden, den er da bekommt. Vielleicht gibt es da Analogien zur Ehe? Vielleicht ist ein Teil des folgenreichen Sich-gehen-lassens, sich-nicht-mehr-anstrengens, das so viele sich dahinschleppende Ehen prägt Folge des Bewußtseins "Ich hab ihn/sie ja [umsonst und] sicher!" ? Vielleicht ergriffe viele Eheleute im Jahre 6 der bange Gedanke, dass es nun aufs angedachte Ende zugeht und dass man dem ursprünglich so sehnsuchtsvoll gewollten Etwas wieder etwas neues Leben einhauchen müßte, um es nur ja nicht zu verlieren?
Ich glaube kaum, dass das vielen Ehen wirklich schlecht täte.
Zumindest ist der Gedanke nicht so fernliegend, dass man sich überhaupt nicht mit ihm auseinanderzusetzen bräuchte.
[Wer sich ernsthaft damit befassen will, findet erste Anregungen in der ZEIT vom 20.09.2007, dort S.19: ein Gespräch mit einer erfahrenen Scheidungsanwältin, einem Diplom-Psychologen und einer Pastorin]

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