WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

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Donnerstag, 27. September 2007

Holzwege - Holzbeine

Dem Inhalt juristischer Lehrbücher und den darin enthaltenen Fällen wird ja oft vorgeworfen, sie seien -wenn auch zu edlen Zwecken - völlig aus der Luft gegriffen, man nennt das für den Bereich des Strafrechts Lehrbuchkriminalität.
Das mag zum Teil zutreffen, aber dennoch bestätigt sich immer wieder eine alte, goldene Regel, nämlich: die schönsten Geschichten schreibt das Leben selbst.
Zu meiner Studienzeit waren die Professoren wieder einmal sehr froh, dass der Betreiber einer Busfirma einen Bus "verloren " hatte, man wußte also einfach nicht mehr, wo er war. F i n d e n tat ihn natürlich ausgerechnet ein Angestellter just derselben Busfirma und wollte von seinem Arbeitgeber den ausgelobten Finderlohn kassieren.
Da muß man nun leider eine kleinen Exkurs über das machen, was der Jurist unter Besitz versteht.
Besitz ist zunächst ein rein tatsächliches Herrschafts-/Beherrschungsverhältnis: ich "besitze" also völlig unzweifelhaft das Schweizermesser in meiner Hosentasche (das übrigens selbst im Großstadtdschungel immer wieder unschätzbare Dienste leistet). Der Besitz verträgt aber eine gewisse Lockerung: ich b l e i b e auch Besitzer der Dinge in meiner Wohnung, wenn ich sie verlasse und zur Arbeit gehe.
Schon daran erkennt man, dass sich solche Definitionen immer an dem orientieren, was der Gesetzgeber (diese Ende des 19.Jahrhunderts 20 Jahre lang tagenden Herren aus der gesellschaftlichen Oberschicht also) hat e r r e i c h e n wollen: der Besitz sollte den Besitzenden erhalten bleiben und geschützt werden.
Mit dieser Zielsetzung konnte man auch eine noch wesentlich weitere "Vergeistigung" des besitztechnischen Herrschaftsverhältnisses zwanglos (wenn auch eigentlich mit viel definitorischer Gewalt) als Besitz definieren - den Besitz des Erben nämlich. Der Erbe eines Erblassers, der vielleicht sogar in einem anderen Kontinent lebt, weiß ja unter Umständen nicht mal etwas von seinem Glück. Es würde sich mit der Besitzdefinition also kaum vertragen, wenn man ihn als Besitzer von Dingen ansehen würde, von deren Existenz er nicht den Hauch einer Ahnung hat. Die Erbschaft konnte aber nur dann halbwegs effektiv zusammengehalten werden, wenn man demjenigen, der vielleicht in Australien im Haus des Erblassers wohnte und ihn vielleicht jahrelang gepflegt hat, n i c h t als Besitzer(in) angesehen hat. Denn hätte der oder die die Erbschaft verkauft oder Dinge weggegeben, wäre für den Erben die Erbschaft weitgehend futsch gewesen.
Um das zu vermeiden, hat man definiert: § 857 BGB : "Der Besitz geht auf den Erben über. "
Damit entstehen für den Erben diverse Sicherungen an seinem (ihm vielleicht unbekannten ) Besitz.
Ähnliche soziale oder unsoziale Elemente der Definitionspraxis erkennt man auch anderswo: natürlich sollte die Putzfrau im Kino oder Theater nicht Besitzerin des heruntergefallenen Geldbeutels des Grossgrundbesitzers werden und dann an der Tür des Schlosses stehen und Finderlohn haben wollen. Deshalb findet die Putzfrau nicht selbst (obwohl i h r Herrschaftsverhältnis an der Geldbörse eigentlich direkter kaum sein kann) , sondern sie findet als "Besitzdienerin" für den Geschäftsinhaber und muß i h m den Fund abliefern.
Könnte ja jeder kommen...schließlich soll arm bleiben, wer schon mal arm i s t .
Zurück zum Bus: man konnte sich also lang darüber auslassen, ob man so etwas großes wie einen Bus verlieren (kann man) und finden (kann man auch) kann und wem der süße Lohn zusteht.
Wesentlich abstruser und an der Grenze des Verstehbaren war der Sirius-Fall (amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, 32.Band, S. 38, also BGHSt.32, 38):
Da hatte ein Mann seiner ihm weitgehend in vielerlei Hinsicht hörigen Freundin weisgemacht, er käme vom Planeten Sirius und habe die Aufgabe, einigen wenigen ausgewählten Menschen ein Weiterleben nach dem Tod zu sichern. Um ihm diese verdienstvolle Aufgabe hienieden zu ermöglichen, bräuchte es allerdings Geld. Neben einigem anderen ließ er sich also eine Lebensversicherung mit ausschließlichem Bezugsrecht über 250.000,-DM erstellen. Dann ging es nur noch darum, der Dame zu verklickern, dass sie zum Antritt ihrer Reise in die Ewigkeit jetzt nur noch ihrem störrischen Körper den Todesstoß versetzen müsse. Hierzu läge in einem roten Zimmer in der Schweiz ( Barschel, ick hör Dir trapsen) ein Körper bereit, in den sie sich hineinbeamen müsse. Dann würde der Rest schon klappen. Wie geheißen, tat die Dame, legte sich in die heimische Badewanne (auch hier die Verbarschelung) und liess den angestellten Fön in die Wanne plumpsen.
Ja, und h i e r brach der schöne Plan ab und die Dame überlebte.
Ja, das Gips ! Der Mensch ist manchmal etwas merkwürdig.
Für den Strafrechtler war das natürlich ein gefundenes Fressen: man gönnt dem Menschen eine gewisse Autonomie, deshalb ist der Selbstmord nicht strafbar (bitte jetzt kein neunmalkluges hähhä: wenn der Versuch scheitert, wäre eine Bestrafung ja ansonsten möglich!). Alle Handlungen der Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe) folgen der Haupttat (Grundsatz der Akzessorietät), deshalb sind auch Beihilfehandlungen nicht strafbar.
Lag also hier straflose Teilnahme an der Selbsttötung vor oder hatte der Täter die Dame so weit am Gängelband, dass von einem freien Willen nicht mehr die Rede sein konnte und er sie nur als Werkzeug zum Erreichen seiner Ziele mißbraucht hat (dann versuchter Totschlag, versuchter Versicherungsbetrug in mittelbarer Täterschaft)?
Wenigstens da war mal was Lebensnahes: d e n konnte der BGH nicht mehr frei herumlaufen lassen.
Ja ...dem Holzweg der versuchten Bereicherung folgt das (Holz-) b e i n (SZ vom 27.09.2007, Panorama) auf dem Fuße: da kauft ein Ami einen Räucherofen. Zu Hause findet er in ihm ein komplettes menschliches Bein, das er eigentlich nicht gebraucht hätte. Nun gingen natürlich die Recherchen los...wer wollte da vor langer Zeit der Familie statt Räucherforelle Räucherbein vorsetzen?
Bei einem Flugzeugcrash 2004 hatte ein Herr John Wood (!) sein Bein so verletzt, dass es amputiert werden mußte. Er wollte aber aus religiösen Gründen später nicht als 6/8-Leiche bestattet werden sondern vollständig. Deshalb wickelte er sein Bein korrekt in Zeitungspapier und lagerte es im Räucherofen zwischen.
(Quelle: "Charlotte Observer" - http://www.charlotte.com/ - sollte es sich um eine Ente handeln - ich habe es nicht geprüft)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke sehr an den Autor.

Gruss Tina