WILD WIE BILD - GSCHEIT WIE ZEIT

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Mittwoch, 12. September 2007

Ärzte, Rechtsanwälte, Baulöwen

Dem Rechtsanwalt geht´s noch viel schlimmer als den Sozialwesen (siehe dort): sie können nämlich gegenüber denjenigen, die sich tagtäglich zu hauf anmassen, einfach mal so vorbeizuschauen, um ein bißchen rumzuknören nicht einfach so patzig-unverschämt sein wie die Sozialamtstante - sie wollen und müssen dem Gegenüber ja noch an die Wäsche, genauer: das darin sitzende Portemonnaie und müssen deshalb immer freundlich sein.
Von daher ist es ein Wunder, dass die Damen und Herren nicht binnen kürzester Zeit an Multiorganversagen dahinsiechen.
Darüber hinaus müssen sie immer vermitteln, jung, erfolgreich und bissig zu sein.
Der mit der Anwaltsexistenz verbundene Dauerstress führt zur Ausprägung von allerhand netten Äußerungsformen der inneren Dauerkrankheit - eine der verbreitetsten ist erwartungsgemäß die Profilneurose. Ständig muß der schöne, rote , geschwollene Kamm geschüttelt werden um dem schon vorhandenen oder noch kommen sollenden Mandanten zu zeigen, dass h i e r der Löwe sitzt, der am wagemutigsten für ihn kämpfen wird.
Diese äußert sich (neben den äußeren Attributen feines Tuch, teure Uhr, geiler Schlitten) z.B. wie folgt (so geschehen am Amtsgericht Sonneberg, in der Nachwendezeit):
Sonneberg war richtertechnisch damals eine Insel des goldenen Westens im ehemaligen Sperrgebiet: da die Stasi-Überprüfungen der alten DDR-Juristen noch nicht abgeschlossen waren, gab es (zunächst) ausschließlich West-Richter. Darunter befand sich auch M., der wegen seines urwüchsigen bayerischen Charmes nicht nur bei den weiblichen Justizangestellten sehr geschätzt wurde, sondern der als Richter auch unendlich viel Verständnis und Geduld für die vielfach desaströsen persönlichen und wirtschaftlichen Situationen der Angeklagten besaß.
Ihn aus der Fassung zu bringen war nur mit einigem Aufwand möglich.
E i n e r hatte es nun aber doch geschafft, worauf sich M. (am Freitag, nach bereits etwa 7 Std. dauernder Hauptverhandlung) zu der Bemerkung hinreissen ließ, der Angeklagte solle nicht meinen, daß an diesem Gericht n u r Bewährungsstrafen verhängt würden.
Darauf witterte der Anwalt Morgenluft, blies sich auf und stellte einen Befangenheitsantrag (das Gericht habe den Angeklagten wohl schon vor Ende der Verhandlung verurteilt).
Ja, toller Hecht...das noch Schönere war: die zur Entscheidung befugte Richterin hatte sich bereits ins wohlverdiente Wochenende verabschiedet und mußte erst wieder herbeitelefoniert werden.
M i r hat das die längste Hauptverhandlung meines Lebens gebracht, dem Kollegen wurden künftig als Pflichtverteidigungsmandate die aussichtslosen Fälle gegeben (wie mir ein Strafrichter erzählte).

Bei einem der Angeklagten hatte man die tiefe Kluft bemerken können, die sich zwischen Ost und West hindurchzog..: dem Angeklagten- Sozialhilfeempfänger-war vorgeworfen worde, er hatte seinen Wuffi nicht gut beaufsichtigt - d e r hatte dann jemanden gebissen. Er verteidigte sich mit den Worten " wann ich a schlachta gawasn waaa, hätt ich ja fort könn´galaaaaf aaaa!!"

Richter M.hatte nicht recht folgen können...er meinte: wenn er denn ein Schlechter (ergänze:Mensch) gewesen wäre, hätte er ja auch (einfach) fortlaufen können.

Der "Schlechten" gebar die strauchelnde DDR einige: der Ehemann einer Familie mit 6 Kindern wurde im Scheidungstermin von der Richterin gefragt, ob es stimme, dass er seine Frau geschlagen habe-einfache Antwort: "die brauchd des !"

Deren Kinder kamen dann im meist noch jugendlichen Alter als Straftäter wieder zu mir. Eine andere Variante war mir völlig unverständlich - dazu ein kleiner Exkurs ins Zivilrechtswesen:Jeder Zivilprozess (eigentlich : auch alle anderen) muss bei seinem Ende auch eine Entscheidung darüber enthalten, wer die Kosten des Verfahrens trägt. Dazu gibt es ein formalisiertes Verfahren, das "Kostenfestsetzungsverfahren", bei dem ein wackerer Beamter (der Rechtspfleger) die Kosten von Justiz und beteiligten Rechtsanwälten zu einer Kostenentscheidung verwurstet.

Diese ist oft ganz einfach, manchmal (bei mehreren Beteiligten, die den Rechtsstreit in unterschiedlichen Quoten gewinnen/verlieren oder bei Klage und Widerklage mit teilweisem Gewinnen etc).

Das führt dann - lange Monate nach Ende des Rechtsstreits, in denen die Rechtsanwälte sehnlichst auf ihre verdiente Knete warten -zu einer Kostenentscheidung, die in den komplizierten Fällen dann etwa lauten kann:
" ...die aussergerichtlichen Kosten der Bekl. zu 2) tragen der Kläger und die Widerbeklagte zu 1) als Gesamtschuldner, die aussergerichtlichen Kosten der Bekl. zu 1) je zu 1/8 gesamtschuldnerisch mit...im übrigen trägt sie diese allein..." usw. usf.
Wem je so ein Bandwurm in Haus alias Kanzlei geflattert ist wird immer nur eins gedacht haben "S c h n e l l abheften und hoffen, dass trotzdem bald a Geld kommt.
N i c h t so ein Herr, der - wie ich erst später erfuhr - nicht umsonst "Zinsen-S."genannt wurde: er hat das Ding (das etwa 2, 5 Seiten umfasste) nicht nur nicht umgehend abgeheftet und die Akte verschwinden lassen, er hat es offenbar gelesen und - am allermerkwürdigsten - v e r s t a n d e n (vermutlich als einziger der Beteiligten ausser dem Rechtspfleger).
Er legte nämlich gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der "Erinnerung" ein, weil er seines Erachtens einige Kröten zu wenig zugesprochen bekommen hatte.
Der Erinnerung wurde "nicht abgeholfen" - es blieb also bei der unverständlichen Ausgangsentscheidung.
Nun mußten also zusätzlich die Kosten des Erinnerungsverfahrens verteilt werden - da Zinsen-S.verloren hatte trug e r dessen Kosten. Immer auf der Suche nach dem schnellen Geld berechnete ich diese Kosten selbst (es waren etwa 43 DM) und bat den Kollegen um Begleichung.
Darauf sonderte er ab: "Bitte lassen Sie die Kosten festsetzen" (s.o.). Schon d a f ü r hätte ich ihn erwürgen können.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss kam zum Ergebnis, dass mir der Kollege S. die besagten 43 DM zu zahlen hatte - ein Sieg, über den ich natürlich mächtig stolz war und den Kollegen um -nun e n d l i c h -mein Geld bat.
Darauf kam ein Mehrseiter zurück : er rechne auf "mit Zinsen aus den festgesetzten Kosten erster Instanz für die Zeit von 02.05.03 bist 12.06.03 in Höhe von 1,24 DM , mit Zinsen aus der Hauptsache..." R U M M S ! Wenn ich je jemandem mit sämtlichen Varianten der weltweit als erfolgversprechend angesehenen Foltermethoden -von teeren bis federn - überzogen hätte : ER hätte das ius primae folterandi gehabt.
Ach übrigens: nach einigen Jahren stellte sich heraus, dass der Befangenheitsantragsteller sein Audi Cabrio nicht ganz selbst, sondern mittels unterschlagener Mandantengelder finanziert hatte: er war dann aus dem Anwaltsberuf verschwunden.
Um einiges entspannter sind häufig die Richter:
mit sicher am Monatsbeginn eintrudelnder Staatsknete können Sie den Markt der Eitelkeiten ohne weiteres meiden. So lief ich eines Morgens in Sonneberg ein und sah dort eine mit einem Riesenteil bepackte BMW mit FFB-Kennzeichen. Der Herr unter dem Helm entpuppte sich als der Direktor des Amtsgerichts, das Teil war ein Staubsauger : er wolle sein Gericht mal saubermachen, meinte er.
Allerdings sind leider nicht alle Richter so - unter ihnen gibt es viele Blender, Oberlehrer und vor allem: Faule und was dergleichen mehr an Unerwünschtem ist.

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